Welchenhausen 3
VOM NIEDERGANG EIFELER BAUERNHÄUSER
Ausstellung vom 21. November 2015 bis Ostern 2016
Der Islek vor wenigen Jahrzehnten: eine von tiefen Tälern zerschnittene karge Hochebene, von kleinteiliger Landwirtschaft geprägt. Auf den Hochflächen und in den Talsenken unregelmäßige Haufendörfer, deren weiß gekalkte Häuser über Kilometer sichtbar sind.
Dieses Bild der Landschaft und der Dörfer hat sich in den vergangenen Jahren radikal gewandelt: Im Zuge des landwirtschaftlichen Strukturwandels verschwanden die nicht mehr überlebensfähigen bäuerlichen Voll- und Nebenerwerbsbetriebe. Von annähernd 40 Lützkämper Bauernbetrieben überleben heute drei mehr schlecht als recht; von 11 Bauernhöfen allein im kleinen Welchenhausen Anfang der achtziger Jahre besteht heute kein einziger mehr. Wo vorher Milchkühe grasten wachsen heute Windräder in den Himmel, kleinteilige, von Schutzhecken umrahmte Felder und Wiesen sind riesigen Maisplantagen zur Biogasgewinnung gewichen.
Während über Jahrtausende der überwiegende Teil der Westeifeler Bevölkerung direkt oder mittelbar von der Landwirtschaft lebte, etablierten sich in kurzer Zeit mehr oder weniger städtische Lebensweisen, weg vom eigenen Bauern-, Handwerks- oder Einzelhandelsbetrieb hin zum Dasein als Angestellter – im strukturschwachen Islek zwangsweise verbunden mit (Auto-) Mobilität. Mangels Arbeitsmöglichkeiten wanderten insbesondere die Jüngeren ab: Allein in Lützkampen reduzierte sich die Einwohnerzahl in 20 Jahren um knapp ein Viertel. Damit änderten sich aber auch die dörflichen Strukturen radikal: Sukzessiv verschwanden Ställe, Scheunen und Maschinenschuppen. Die Landwirtschaft versorgende Einzelhandels- und Handwerksbetriebe schlossen, ebenso die allgegenwärtige „Raiffeisenkasse“.
Mobilität und gestiegene Einkommensverhältnisse erlaubten nun Einkaufsfahrten über weite Strecken. Während das Lebensmittelgeschäft, der „Buddick“, in dem alles für das tägliche Leben erhältlich war, aus den Dörfern verschwand, entstanden in wenigen größeren Gemeinden Supermärkte mit erheblich verbessertem Angebot. Gleichzeitig stiegen auch die Ansprüche an Lebens- und Wohnqualität. Kleine Zimmer, kalter Fußboden der meist nicht unterkellerten Häuser, schiefe Bruchsteinwände und wenig Licht aus kleinen sandsteinumrahmten Fenstern genügten den Anforderungen an modernes Wohnen nicht mehr. Seit den siebziger Jahren entstanden moderne Wohnbauten mit hellen großen Räumen oft direkt neben dem alten Bauernhaus, das dann regelmäßig als Wirtschaftsgebäude für die noch existierende Landwirtschaft weitergenutzt wurde.
Einige der für den Islek typischen „Trierer Quereinhäuser“ – Wohn- und Wirtschaftstrakt unter einem einheitlich geneigten Dach mit durchlaufendem First – wurden durch Umbau von Stall und Scheune in großzügige, heutigen Ansprüchen an Raumangebot und Helligkeit genügende Wohngebäude verwandelt. Kleinere fanden Käufer auf der Suche nach stilvollen Ferien- oder Wochenendhäusern. Allerdings ist es bei unattraktiver, z.B. nach Norden ausgerichteter Lage oder direkt an vielbefahrenen Straßen mit wenig Gartenfläche praktisch unmöglich, einen Käufer zu finden. Viele Häuser verdämmern ungenutzt, bis schließlich eindringende Feuchtigkeit und Frost die Substanz und Statik so beeinträchtigen, dass in der Regel ein Abriss dem Einsturz zuvorkommt.
Mit der anfänglichen Intention einer Dokumentation dieser Strukturveränderungen wählte die wArtehalle unter den im Islek omnipräsenten Bauernhausruinen stellvertretend ein Haus in Welchenhausen, das vor der Einführung offizieller Straßennahmen die Nummer 3 trug – nicht an der Haustür montiert, sondern auf die Milchkannen lackiert, damit diese an der Sammelstelle identifiziert werden konnten. Damit stand der Titel der Ausstellung: „Welchenhausen 3“.
Das klassische Trierer Einhaus, ursprünglich mit begehbarer offener Feuerstelle in der Küche, von der aus über die dahinter eingebaute gusseiserne Takenplatte die angrenzende Wohnstube „geheizt“ wurde – vor 200 Jahren neben dem Vieh die einzige Wärmequelle im Haus. Einst der Stolz von Generationen – die seltenen Familienfotos wurden grundsätzlich vor dem Haus aufgenommen – entsprach es in den siebziger Jahren nicht mehr den Vorstellungen modernen Wohnens. Nach dem Umzug der Familie in das direkt nebenan errichtete neue Wohnhaus diente es als Wirtschaftsgebäude der noch existierenden Landwirtschaft mit Milchviehbetrieb. Eine moderne Milch- und Futterküche wurde eingerichtet, Futter und Getreide gelagert. Schließlich wurde der nicht mehr rentable Landwirtschaftsbetrieb aufgegeben. Pläne des Sohnes, das Haus zu modernisieren, scheiterten an dessen berufsbedingten Wegzug.
Mit dem durch das zunehmend undichte Dach eindringenden Wasser und dem harten Isleker Winterfrost nahm das Gefüge der Bruchsteinmauern irreparablen Schaden. Risse klaffen im Gemäuer, Decken geben nach und das ganze Gebäude ist einsturzgefährdet. Angesichts der Unmöglichkeit, das Gebäude noch zu renovieren oder zu restaurieren endet nun eine mehrhundert-jährige Geschichte durch Einsturz oder Bagger …
Ursprünglich angelegt als penible Dokumentation des ganzen Anwesens und der noch vorhandenen Bausubstanz, erlagen die Gestalter dieser Ausstellung bei der Sichtung mehrerer hundert Fotos einigen Details des ehemaligen Wohngebäudes:
– Geschlossene Türen, durch die einst spielende Kinder rannten
– verwaiste Flure
– Tapeten, im Geschmack der Zeit immer wieder erneuert, liebevoll ausgesucht z.B. für das elterliche Schlafzimmer zur Geburt des Sohnes, die sich nun von der Wand lösen und die ganze Tristesse des nicht aufzuhaltenden Verfalls spiegeln
– Fenster ohne Aussicht.
Und so zeigt die diesjährige Winterausstellung der wArtehalle Welchenhausen lediglich einige wenige Aspekte – Splitter – vom Niedergang eines Eifeler Bauernhauses.