Gudrun Näkel / 20 Jahre Museum

 

Gudrun Näkel

es ist alles im Fluss …

Die kleinen Zeichnungen von Gudrun Näkel sind mit schwarzem Stift und Tipp-Ex auf Backpapier ausgeführt.

Treffsicher reduziert sie die Formen auf das Wesentliche. Ihre Figürchen zeigen, dass sie Bewegungen sehr genau wahrnimmt und dann intuitiv mit wenigen Strichen meisterlich in Zeichnungen umsetzt. Dabei überlegt sie nicht lange, sie „fängt einfach an“.

Backpapier ist für uns ein alltägliches Material aber als Zeichenpapier einer Künstlerin ungewöhnlich. Zwischen den Fingern gerieben erzeugt es ein gleitendes, fließendes Gefühl. Die Farbe Braun allerdings ist nicht so beliebt, erinnert sie doch sehr an Schmutz.

Wie kommt das Braun in die Kunst?

Viele Kinder haben sicherlich schon all die bunten Farben in ihrem Farbkasten zusammengemischt. Das Ergebnis enttäuscht: Kein fröhlicher, strahlender Farbton entsteht, sondern Braun. So wie im weißen Licht alle Lichtfarben versteckt sind, so verbergen sich im Braun alle Pigmentfarben.
Mit den sogenannten Nicht-Farben, mit Schwarz und Weiß fertigt Gudrun Näkel ihre Zeichnungen an.

Wie kann man mit schwarzen Strichen eine Bewegung zeichnen?

Schwarze Striche bewegen sich nicht.

Wir sind daran gewöhnt, Bewegungen in kurze Momente des Stillstands aufzuteilen wie in einem Comic. Auch ein Zeichentrickfilm besteht nur aus vielen unbewegten Bildern.

Eine Bewegung kennt aber keinen Stillstand, sie fließt.
Unser Verstand braucht den Stopp, er kann mit Bewegungen nicht gut umgehen.
Auch beim Tanzen ist es notwendig, die Schrittfolge zu kennen. Es ist aber unerlässlich, ein Gefühl für die Tanzbewegung zu entwickeln. So ist es auch beim Zeichnen: Ohne ein Gefühl für die fließende Bewegung werden auch die schwarzen Striche nicht „fließen“.

Vernunft und Gefühl, so gegensätzlich sie auch sind, müssen eine neue Einheit bilden.

Schon vor gut 2500 Jahren hat der griechische Philosoph Heraklit seinen allzu statisch denkenden Kollegen entgegengehalten, dass alles im Fluss ist und dass Gegensätze sich zu einer neuen Einheit verbinden müssen.

Für Gudrun Näkel hat der Spruch des Heraklit: Alles fließt, alles ist im Fluss einen bitteren Beigeschmack.

Sie wohnt in Dernau/Ahr, im ersten Haus. Das Gebäude steht noch, aber ihre Werke aus vielen Jahren, sie sind alle im Fluss. Und das Braun, das alle schönen Farben enthält, markiert dort den Wasserstand der Flutkatastrophe.

In der wArtehalle sehen Sie heute Ausdrucke ihrer Zeichnungen. Sie wissen ja: Die Originale hängen an den Wänden von Kunstliebhabern, die eigenen sind jetzt alle im Fluss.