Der Westwall / Das Kriegsspielzeug

 

 

Der Westwall
 

 

Clara Gerlach zeigt auf ihren Fotos den Westwall wie er sich Erholung suchenden und Wanderern im Islek darstellt.

 

Baumbestandene Hügel bieten sich als optische Orientierungspunkte an. Sie präsentieren sich als Rückzugsräume der Natur in einer zunehmend intensiv genutzten Agrarlandschaft. Naturschützer sprechen gerne von „ökologischen Trittsteinen“.Wer sich allerdings mit dem zufrieden gibt, was er sieht, der versteht nicht.Die romantischen Hügel sind keine „Natur“, es sind die Ruinen von gesprengten Westwallbunkern und sie bestehen aus Beton. Auch wo diese Ruinen in der Nachkriegszeit „beseitigt“ wurden, ist der Beton vorhanden, nur eben einige Dezimeter unter der Erde.Wer sich mit dem Bau des Westwalls unter dem Nationalsozialismus beschäftigt und besonders mit der Endphase des II. Weltkriegs, der weiß, dass die Idylle das reine Grauen verbirgt.

Clara Gerlach zeigt die Idylle, aber sie untertitelt ihre Fotografien mit einem Textband, das die Fakten benennt: Die Enteignung von Bauern, die Zwangsverpflichtung der Arbeiter, Baumaterial für Bunker statt Wohnungen, ein um drei bis vier Monate sinnlos verlängerter Krieg

Clara Gerlachs Arbeit ist ein Appell an den Verstand. Wer nur glaubt, was er sieht, der bleibt oberflächlich und kann die Realität nie angemessen erfassen.

 

 

Die Westwall-Fotos von Harald Deilmann entstanden überwiegend im Sommer 2008. Wie aber soll man künstlerische Fotografien einer schon in der Planung verbrecherischen Militäranlage präsentieren?

Der Westwall sollte ja nicht ästhetisch „veredelt“ werden. So blieben die Aufnahmen über Jahre im Archiv.

Durch Zufall kam ihm ein bereits in der Schule gelerntes Gedicht von Adelbert von Chamisso in den Sinn: „Das Riesenspielzeug“ (1831). Das romantische Gedicht bezieht sich auf eine Sage:

Auf der Burg Niedeck im Elsass wohnten früher Riesen. Die Tochter entdeckt eines Tages einen pflügenden Bauern und nimmt ihn als Spielzeug mit.

Diese Sage verbindet Chamisso mit dem Verschwinden der Riesen.

Chamisso war ein liberal denkender Mensch

in einer Zeit, in der freie Meinungsäußerung gefährlich war. Verkleidet in sein romantisches Gedicht vertritt er die Überzeugung, dass Herrschende, die die Beherrschten als Sache behandeln, aus der Geschichte verschwinden müssen.

Dieser Gedanke trifft offensichtlich genau auf die Nationalsozialisten zu. Sie behandelten unterworfene Völker schon in der Theorie nicht als Menschen, sondern als Sache, die den „Herrenmenschen“ zur Verfügung steht. Noch grausamer war bekanntlich ihre mörderische Praxis.

Aber selbst das eigene Volk wurde als Verfügungsmasse behandelt, genau wie es Clara Gerlach in ihren Untertiteln schreibt: Enteignung, Zwangsarbeit, Kanonenfutter.

Die Fotografien von Harald Deilmann zeigen in distanziertem Schwarz-Weiß die unromantischen Reste des Westwalls. Seine Texte, gesetzt in Nazi-Fraktur, halten sich an das Versmaß des Dichters. Nur die Schlusszeile bricht damit – leider.

Ansprache zur Eröffnung der Ausstellung

Lebensläufe der Künstler

 

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